Bäume – Wunderwerke der Schöpfung

Bereits die Bibel stellt den Baum in den Mittelpunkt der Natur und in Beziehung zum Menschen: „Als Gott den Garten Eden für den Menschen schuf, vergaß er nicht, ihm Bäume beizustellen, die das Leben verkörpern und die Erkenntnis von Gut und Böse in sich trugen: Und Gott der Herr ließ aufwachsen aus der Erde allerlei Bäume, lustig anzusehen und auch gut zu essen, und der Baum des Lebens mitten im Garten …“. (1. Buch Mose, Kap. 2). Auch in den Sagen vieler Völker begegnet uns ein „Weltenbaum“ als einprägsames Symbol. Sein Stamm verbindet Unterwelt, Erde und Himmel miteinander.
Uns moderne Menschen spricht die Begegnung mit Bäumen auf verschiedenen Ebenen an, die schon im oben zitierten Bibeltext anklingen. Da ist die geistige Ebene, die uns für das stofflich nicht Fassbare in der Erscheinung eines Baumes empfänglich macht, die materielle Ebene, die uns den Baum als Lieferant von Nahrung und Rohstoffen wahrnehmen lässt, und schließlich die biologische Ebene, auf der sich Bäume als lebende Wunderwerke offenbaren.
Die geistige Ebene betrifft das persönliche Erleben. Wer ließe sich nicht einfach von der Schönheit so mancher Baumgestalten beeindrucken. Doch Bäume können auch Orte der Sehnsucht werden, weil sie Ehrfurcht gebietende Kraft, Ruhe, Geborgenheit und ungeheure Beständigkeit ausstrahlen. Die wird spürbar vor allem beim Anblick uralter Bäume. So ist eine Fichte auf einer kahlen Hochfläche in Schweden mit nachgewiesenen 9500 Jahren der vermutlich älteste Baum auf unserem Planeten. In Jugenheim wächst hinter der Klosterruine seit 800 Jahren die älteste Linde Deutschlands. Solche den Bäumen gemäße Zeitskalen machen demütig, denn was ist gemessen an ihnen die Dauer unseres Lebens? Ein Wimpernschlag.

Viele Menschen, und darunter viele Entscheidungsträger, lässt der Anblick von Bäumen allerdings kalt. Für sie bedeutet ein Baum nur eines: Holz, und das bringt Geld. Die für das Weltklima verheerende Konsequenz solch materialistischer Sicht ist der weltweit schnell voranschreitende Raubbau an den Wäldern. Um nicht missverstanden zu werden: Holz ist ein wertvoller und zumal für naturnahes Leben unverzichtbarer Rohstoff. Es ist daher kein Frevel, Bäume als Rohstoffquelle zu nutzen, allerdings unter einer Bedingung: Die Nutzung muss nachhaltig sein. Das Credo dahinter: In einem Wald darf nur so viel abgeholzt werden, wie er in absehbarer Zeit auf natürliche Weise oder mit kluger Mithilfe des Menschen selbst regenerieren kann. Nur so ist gewährleistet, dass Wälder als intakte Systeme langfristig erhalten bleiben und helfen können, das ökologische Gleichgewicht unseres Planeten zu stabilisieren.

Aus biologischer Sicht sind Bäume wahre Wunderwerke der Natur. Bekanntlich besitzt ein Baum drei Organe, nämlich die Blätter, den Stamm mit seinen eine Krone bildenden Verästelungen, und die Wurzeln. Diese Organe haben unterschiedliche Aufgaben und sind auf komplexe Weise miteinander vernetzt.

Die Blätter sind chemische Fabriken, in denen die Photosynthese stattfindet. Dabei wird aus der Atmosphäre stammendes Kohlendioxid und aus den Wurzeln herangeführtes Wasser in Zucker umgewandelt. Bei der Photosynthese entsteht unser Lebenselixier, nämlich Sauerstoff. Der wird über die Blätter in die Atmosphäre ausgeschieden.

Die Wurzeln verankern den Baum im Boden und dienen der Aufnahme von Wasser und dar- in gelösten mineralischen Nährstoffen. In einem Wald sind die Bäume über die Wurzeln miteinander vernetzt.

Der Stamm schließlich mit seinen Verzweigungen verleiht dem Baum mechanische Stabilität und seine artspezifische Gestalt, und er ist funktionelles Bindeglied zwischen Blättern und Wurzeln. Das fortlaufende Wachstum der Bäume in Länge und Dicke wird durch Bildungsgewebe ermöglicht, in denen Stammzellen fortlaufend neues Zellmaterial erzeugen. Diese sind potentiell unsterblich und ermöglichen, dass Bäume, abhängig von Art und Wachstumsbedingungen, ein sagenhaftes Alter erreichen können.
Zum Schluss noch ein Blick auf die Leistungsfähigkeit von Bäumen, aufgezeigt am Beispiel einer 150-jährigen Rotbuche. Diese verfügt über ca. 800 000 Blätter mit einer Fläche, die etwa einem Fußballfeld entspricht. Mit dieser bindet der Baum im Rahmen der Photosynthese pro Tag ca. 20 kg Kohlendioxid und produziert 11 000 Liter Sauerstoff, was den Tagesbedarf von 25 Menschen deckt. Gleichzeitig verdunstet der Baum über die Blätter ca. 500 Liter Wasser, also die Füllmenge von ca. fünf Badewannen. Man hat ausgerechnet, dass 70% des Wassers, das auf der Erde verdunstet, von den Bäumen der Wälder abgegeben wird. Dies unterstreicht, wie wichtig die Wälder für das Klima auf unserer Erde sind.

Zum Schluss die Frage: Was ist ein Baum? Sicher mehr als nur Holz, sondern ein kostbares Wunderwerk der Schöpfung.

Prof. Dr. Manfred Kluge