Einen Ausflug in die Vergangenheit

Besuch der Konfirmandengruppe auf dem Jüdischen Friedhof Alsbach
Beth Olam – Haus der Ewigkeit

Am 07.11.2017 unternahmen wir nachmittags einen Ausflug auf den jüdischen Friedhof in Alsbach, der sich an der östlich gelegenen Bundesstraße 3 erstreckt.
Man sagt, Friedhöfe sind wie ein offenes Geschichtsbuch, insofern tauchten wir während der ca. einstündigen Führung mit dem ehemaligen Pfarrer von Alsbach, Johannes Mingo, in die Vergangenheit dieses kulturwertvollen Denkmals ein. Wir erfuhren viele interessante Fakten. Der Jüdische Friedhof, der zu den größten der Region gehört, wurde 1423 erstmals erwähnt. Juden aus 32 Ortschaften wurden von 1615 – 1941 dort beerdigt. Jedes Grab erzählt seine eigene Geschichte. Der wohl bekannteste Mensch, der auf dem Jüdischen Friedhof begraben ist, ist Rabbi Abraham Samuel Ben Isaak Bacharach. Er war sowohl Oberrabbiner der ältesten Jüdischen Gemeinde Worms als auch anerkannter und geschätzter Gelehrter, wenn es um biblische und talmudische Literatur und rabbinische Rechtsfragen ging. Er verstarb im Alter von 40 Jahren im Jahre 1615. Viele Juden wünschten sich, in seiner Nähe ihre letzte Ruhestätte zu finden. Zunächst blieb der Friedhof ein offenes Gelände, erst im Jahre 1741 ließ der Landgraf von Darmstadt um den Friedhof eine Mauer bauen. Das Gelände wurde mehrfach erweitert.

Über die Jahrhunderte hinweg fanden über 2.000 Beerdigungen statt.
In der Pogromnacht vom 9. auf den 10. November 1938 wurden große Teile des Friedhofs von SA-Leuten zerstört (u.a. das Totenhaus und der Eingang). Auch wurde veranlasst, dass viele Grabsteine umgestürzt oder zerstört wurden. Ebenso wurde das Friedhofsregister vernichtet, welches jedes Begräbnis der letzten 300 Jahre dokumentierte. Auf Anordnung der US-Besatzungsarmee wurde der Friedhof nach Ende des 2. Weltkriegs 1945 wieder hergestellt. Über die Jahre hinweg erfolgte die Dokumentation der erhaltenen Grabsteine.
Der Friedhof wirkte auf mich sehr geheimnisvoll. Wenn man ihn betritt, stellt man schnell Unterschiede zu unseren christlichen Friedhöfen fest. Auf der Vorderseite des Steines steht ein Lobpreis und der Text wird mit der festen Formel „Sein Leben sei eingebunden in den Bündel des Lebens“ beendet. Auf der Rückseite des Steines steht der Name des Verstorbenen. Interessant ist, dass man auf den Grabstein einen Stein legt –manchmal liegt darunter auch ein beschriebener Zettel- und nicht wie bei uns Blumen oder dergleichen. Ein Stein, welcher einmal errichtet ist, bleibt stehen; fällt er aber um, wird er nicht noch einmal aufgerichtet. Zu den jüdischen Beerdigungsriten gehört es, dass die Beerdigung innerhalb von 24 Stunden stattfindet. Auch soll die Bestattung schlicht sein.
Angehörige besuchen auch heute noch den Friedhof, z.T. von weit kommend.
Johannes Mingo erzählte uns, dass vor kurzem Angehörige aus Jerusalem zu Besuch waren, die nach ihren Familienmitgliedern schauten. Wie auch mir hat vielen aus meinem Konfi-Kurs der Besuch gefallen. Am Ende verließen wir den Friedhof mit vielen neuen Eindrücken und Informationen. Ein Einblick in eine ganz andere Beerdigungskultur hatte sich uns eröffnet.
„Die besten Entdeckungsreisen macht man nicht in fremde Länder, sondern indem man die Welt mit neuen Augen sieht.“ (Marcel Proust)

Sven Gebauer