Im Schatten des Kirchturms

Laurentiuskirche (Foto: Fabian Klusmeyer)

Laurentiuskirche (Foto: Fabian Klusmeyer)

In den ersten Wochen des Konfirmationsunterrichts schicke ich die Konfirmandinnen und Konfirmanden auf einer Kirchengemeinde-Rallye durch Seeheim. Sie sollen die „Luther-Eiche“ hinter dem Rathaus finden und das Altenzentrum der „Mission Leben“ in der Sandstraße. Sie sollen herausfinden, nach wem unsere Seeheimer Kirche benannt ist und nach wem unser Gemeindehaus und an wen die große Bronzetafel erinnert, die am Alten Pfarrhaus angebracht ist.

Auf dieser Rallye schicke ich die Jugendlichen auch zum Alten Friedhof. Dort sind ganz nahe bei der Kirche die Pfarrer Georg Reith – in Seeheim tat er 1932-1940 und 1946-1952 Dienst als Pfarrer – und Friedrich Engel begraben. Letzterer war 1953-1964 Pfarrer in Seeheim. Wenige Schritte davon entfernt befinden sich die Gräber von drei Männern, die im 19. und beginnenden 20. Jahrhundert in Seeheim als Pfarrer tätig waren. Die Inschriften auf den Grabsteinen verwittern allmählich, gelegentlich sind sie auch überwuchert durch Efeu. Bis heute aber trägt unsere Kirchengemeinde Sorge für die Pflege dieser drei Gräber. Und so sei an dieser Stelle einmal erinnert an die, die dort ihre letzte Ruhestätte gefunden haben.

Ludwig Bernhard Fischer ist 1818 in Darmstadt geboren als Sohn des Hofoffizianten Bernhard Fischer. In Seeheim war er 27 Jahre als Pfarrer von 1856-1883 tätig und starb in Seeheim 1890. Mit seinem Namen ist die 1877 erfolgte Gründung einer Kleinkinderschule, damals in der Mühltalstraße, verknüpft. (In den 20er Jahren des 20. Jahrhunderts zog der Kindergarten in die Burgstraße, und heute befindet sich der Evangelische Laurentius-Kindergarten am Grundweg.)

Direkter Nachfolger von Pfarrer Fischer wurde seinerzeit Dr. Karl Julius Römheld, 1826 als Sohn des Pfarrers Ludwig August Heinrich Römheld in Leihgestern geboren. Er wurde bekannt als Volksprediger und Schriftsteller. Mit größtem Eifer und größter Gewissenhaftigkeit soll er seinen Dienst in Seeheim versehen haben. Kurz vor Vollendung des 64. Lebensjahres starb er: An Himmelfahrt hatte er noch gepredigt, wenige Tage später starb er am 17. Mai nach einem Gehirnschlag. Seine Frau Agnes geb. Sell ist neben ihm begraben.

Georg Vogel, Sohn des Gastwirts Bernhard Vogel aus Nauheim, dort 1847 geboren, kam 1896 als Pfarrer nach Seeheim. Bis zum Alter von 69 Jahren tat er seinen Dienst. Ein Bild aus seinen letzten Amtsjahren zeigt einen würdigen Herrn mit langem weißem Bart. Georg Vogel war seinerzeit der letzte Pfarrer, der das Alte Pfarrhaus (Bergstraße 3) bewohnte, das aufgrund feuchter Wände als eher gesundheitsschädlich galt. Der damalige Nachfolger Pfarrer Fritz Marguth konnte wenige Jahre später in das der Kirchengemeinde von Familie Goldschmidt vermachte Haus in der Villastraße einziehen. Nach fast hundertjähriger Unterbrechung wohnt mit Pfarrerin Monika Bertram inzwischen wieder eine Pfarrperson im Alten Pfarrhaus. Pfarrer Georg Vogel starb 1919 im Alter von 71 Jahren.

Eine Buntsandsteinplatte an der Ostwand von Kirche und Turm erinnert an einen weiteren Seeheimer Pfarrer aus dem 19. Jahrhundert: Ernst Ludwig August Huth (1804-1874) kam nach erstem Dienst an der Stadtmädchenschule in Darmstadt 1834 auf seine erste Gemeindepfarrstelle nach Seeheim. Da Seeheim seit 1832 Sommerresidenz des Großherzogs und seines Hofes geworden war, wurde 1854 die Seeheimer Pfarrstelle zur Hofpfarrstelle erhoben. Ernst Ludwig August Huth wurde 1856 die Pfarrstelle in Gundernhausen übertragen, wo er bis 1874 Dienst tat. Nachdem er am 2. Weihnachtstag 1874 in Jugenheim gestorben war, wurde er auf dem Seeheimer Kirchhof begraben. Sein Portrait in der Sakristei stammt vom Darmstädter Hofmaler Backofen.

 

Pfarrer Joachim Schließer