Von brennender Aktualität

Es sollte ein den Zusammenhalt der Konfessionen stärkender Gottesdienst im Rahmen der „Woche gegen den Rassismus“ sein und zugleich zur Beteiligung an der Europawahl am 26. Mai unter dem Motto „Europa wählt die Menschenwürde“ aufrufen.

Zwei Tage zuvor am 15. März verübte ein australischer Rechtsextremist sein schreckliches Terrorattentat auf betende Muslime in zwei Moscheen in Christchurch/Neuseeland und übertrug seine unvorstellbare Tat per Helmkamera zeitgleich ins Internet. So wurde dieser Gottesdienst in der voll besetzten Laurentiuskirche vor allem auch ein Gedenk- und Mahngottesdienst mit zwei Gästen und breitem Presseinteresse inklusive Hessischem Rundfunk.

Eingangs erinnerte Daniel Neumann, gebürtiger Jugenheimer und Direktor des hessischen Landesverbands der jüdischen Gemeinden daran, dass in den Ersten Büchern von Bibel und Thoradie Erschaffung von uns Menschen im Mittelpunkt steht, aber nicht von Unterschieden und Rangfolgen der Religionen die Rede ist. „Und Gott erschuf den Menschen nach seinem Ebenbild“. So vielfältig wie wir Menschen sind, so vielfältig ist demzufolge auch Gott und mitnichten auf nur eine einzige Religion festgelegt. Alle Religionen und Menschen sind ihm gleich lieb und wert! Das heißt nicht, Unterschiede zu verwischen; jede Religion soll ihre Eigenarten und Besonderheiten beibehalten und selbst Meinungsdifferenzen oder Streit untereinander können – sachlich und respektvoll ausgetragen – befruchten.

Abdassamad El Yazidi, in Langen geboren, bat als Generalsekretär des von DITIB unabhängigen Zentralrats der Muslime darum, nicht zu wiederholen, was Medien leider nur allzu leichtfertig vorgemacht haben, nämlich Terrorismus mit Islamismus unreflektiert gleich zu setzen und damit der Religion der Muslime den Makel der Intoleranz und der Gewalttätigkeit anzuhängen. Man kann ahnen, wie der in vielen Ländern verbreitete antiislamische Rassismus terroristische Taten von Extremisten beflügelt. Im Freitagsgebet am 15. März wurde noch um die Mittagszeit in Deutschlands 1.700 Moscheegemeinden anlässlich der Wochen gegen Rassismus in Predigten zur Überwindung von Rassismus auf- gefordert.

In seiner Gottesdienst-Predigt ging Kirchenpräsident Dr. Volker Jung – ausgehend von Markus 12,28-33 – auf Jesus Gebot ein: „Du sollst den Herrn lieben mit ganzer Seele und als zweites Deinen Nächsten wie Dich selbst“. Abgesehen von der eher nebensächlichen Frage, wer ist dein Nächster oder Übernächster, kommt es darauf an, zunächst einmal sich selbst anzunehmen und zu lieben so wie man ist. Dann kann man auch seinen Nächsten akzeptieren und so nehmen, wie er ist. Wer möchte schon, dass dem Nächsten etwas angetan wird, was man nicht selbst erleiden möchte? Nur wer allein den ersten Teil des Gebotes liest, ist in der Lage, im Namen „seines“ Gottes Gewalt auszuüben. Wer aber auch den zweiten Teil des Gebotes befolgt, muss Gewalt gegen seinen Nächsten als Gewalt gegen sich selbst verabscheuen.

In der sich an den Gottesdienst anschließenden Fragestunde für die Pressevertreter wurde u.a. danach gefragt, wie mit den diversen Aufforderungen zur Gewalt in Koran, Bibel und Thora umzugehen sei. Abdassamad El Yazidi forderte auf, solche Zitate nicht aus dem Zusammenhang gerissen zu lesen, sondern im Kontext vor- und nachgelagerter

Koranverse, was die Bedeutung oft völlig umkehre oder relativiere. In ähnlicher Richtung argumentierte Daniel Neumann, der am Beispiel „Amalek“ aus der Thora aufzeigte, dass solche Gewaltaufforderungen im Laufe der Zeit und durch Änderungen in den Lebensumständen den Bezug zur geltenden Realität und Aktualität verloren haben. Dr. Volker Jung forderte in Übereinstimmung mit beiden Vorgenannten dazu auf, die Texte nicht im wortwörtlichen Sinn, sondern praxisnah und lebensnah auszulegen.

Dr. Jürgen Micksch aus Seeheim, Vorstand der Stiftung gegen Rassismus, moderierte die Fragestunde. Er verwies auf die vielfältigen Initiativen und Projekte der Stiftung in Zusammenarbeit mit Institutionen wie überregionalen Firmen, politischen Institutionen, Konfessionen sowie den Bereichen Sport und neuerdings dem Feuerwehrverband in der Breite gegen Rassismus zu wirken. Er bat nochmals nachdrücklich, sich an der Europawahl am 26. Mai zu beteiligen, um nicht Rechtsextremisten und Populisten das Feld zu überlassen.

Hans Hrausek