Leisniger Kastenordnung – Folge der Reformation

Luther und das älteste ev. Sozialpapier der Welt

Wo Kommunen oder Länder zur Reformation übergegangen waren, entstand ein rechtsfreier Raum, denn die kirchliche Jurisdiktion durch Bischof und Papst sowie das kanonische Recht lehnten die Reformierten ab. Durch die Einführung von evangelisch-reformierten Kirchenordnungen versuchte man, dem zu begegnen.

Das mitten in Sachsen (35 km nördlich Chemnitz, 40 km südöstlich Leipzig) gelegene Leisnig hatte früh die Reformation angenommen und trat daher 1522 an Luther heran, um seine Mitwirkung bei der Abfassung einer Kirchenordnung zu erbitten, die als „Leisniger Kastenordnung“ bekannt wurde und als Prototyp späterer, ähnlicher Kirchenordnungen gilt. Sie wurde zum Modell lutherischer Soziallehre in weiten Teilen des deutsch sprechenden Nordeuropas. Luther gefiel sie so gut, dass er sie in Wittenberg nachdrucken ließ als Beispiel.

Auf dem Titelblatt der zehn Pergamentblätter steht:  “Ordnung eines gemeinen Kastens. Ratschlag, wie die geistlichen Güter zu handeln sind. Martinus Luther MDXXIII.“ Der Name Kastenordnung rührt von dem Kasten her, in dem das aus Steuern und Abgaben vereinnahmte Geld verwahrt wurde, das für die öffentliche und kirchliche Verwaltung benötigt wurde. Gesichert war der Kasten mit vier Schlössern, zu denen die Vorsteher der vier Stände Schlüssel besaßen: Adlige, Ratsherrn, Bürger, Bauern. Im Einführungskapitel wird die Grundlage der Ordnung hervorgehoben: Alles beruht auf Gottes Wort. Und so prägt – ganz im Sinn Luthers, der das Vorwort verfasste – der Geist des Evangeliums diese Ordnung. Was in der Kastenordnung geregelt wurde ist im beigefügten Bild anschaulich dargestellt. Die Ausgaben zeigen eine starke soziale Prägung der Fürsorge. Im abschließenden Kapitel der Kastenordnung wird das geregelt, was heute den Begriff Transparenz trägt: Rechenschaftslegung in der jährlichen Versammlung.

In unseren Landeskirchen ist der Begriff ‚Kirchenordnung’ weitgehend durch ‚Kirchenverfassung’ abgelöst, in denen sich aber vielfach noch die in der Kastenordnung vorgedachte kirchliche Lebensführung wiederfindet.

Hans Hrausek