Weltausstellung – Reformation in Wittenberg

500 Jahre Reformation – so viele Ausstellungen, Vorträge, Diskussionsabende, Lesungen, Konzerte und noch vieles mehr, man weiß gar nicht, wo man überall hingehen soll. Nur wenige Ausstellungen habe ich bisher besucht und werde es wohl auch nicht mehr schaffen, sie aufzusuchen, doch die große zentrale Ausstellung in Wittenberg, die sich „Weltausstellung Reformation“ nennt, die wollte ich mir kurz vor Toreschluss doch wenigstens noch mal ansehen.

Tore, Torräume, dabei geht es auch bei dieser Ausstellung rund um die Themen Gerechtigkeit, Frieden und Bewahrung der Schöpfung, Spiritualität, Globalisierung – eine Welt, Ökumene und Religion, sowie Kultur und Jugend. Konzipiert ist die Ausstellung als Freiluftausstellung, die sich in sieben „Torräumen“ mit zahlreichen Installationen, Mitmachangeboten, Informationstafeln und Impulsplakaten auf den Wallanlagen rund um Wittenbergs Innenstadt schlängelt. Diese Art, eine Ausstellung zu gestalten, fand ich eine super Idee. Endlich mal etwas anderes als die gängigen Leseausstellungen mit ihren vielen dicht beschriebenen, mit Grafiken, Tabellen, Fotos und Infokästen überladenen Plakaten, bei denen man eigentlich schon nach der dritten Tafel keine Lust mehr hat, weiterzulesen. Hier aber war es ganz anders. Nach dem Besuch des 27 m hohen „Welcome“- Turmes in Form einer überdimensionalen Lutherbibel ging es weiter zum nächsten außergewöhnlichen Exponat, dem 360-Grad-Panorama „Luther 1517“ des Berliner Künstlers Yadegar Asisi, der sich seit 2003 auf Großbilder in der Art der historischen Panoramen des 19. Jahrhunderts spezialisiert hat. Etwas dunkel zwar, doch die Vielschichtigkeit der Szenarien und das ungeheure Detailreichtum dieses 15 x 75 m großen Rundbildes vermittelte, unterlegt mit leiser Musik, eine Echtheit und Lebendigkeit der Stadt Wittenberg im 16. Jahrhundert, die mich überaus faszinierte.

In einer Klanginstallation auf dem sich anschließenden Wallweg Richtung Schwanenteich konnte man Zitaten aus der Bibel lauschen. Nach einem kleinen Kaffeepäuschen zu munteren Oldtime- Jazzklängen machte ich mich auf zu meinem nächsten Ziel, der LichtKirche der EKHN und ihrem viel diskutierten Segensroboter „BlessU-2“. Segnen und Roboter – wie passt das zusammen? Kann ein Roboter denn einen Segen aussprechen? Theoretisch schon, denn der Segen kommt von Gott; der den Segen erteilende Mensch ist nur das Medium. Auch eine Maschine könnte die Rolle dieses Mediums einnehmen, so der Ansatz der EKHN-Installation. Der von Fabian Vogt entworfene Roboter spricht sieben Sprachen, außerdem sogar hessisch. Wählen kann man zwischen einer männlichen und einer weiblichen Stimme sowie zwischen Themenbereichen wie Stärkung, Ermunterung, Erneuerung u. a., zu denen man gesegnet werden möchte. Sobald man sich entschieden und im Dialogverfahren alles angeklickt hat, hebt der Roboter seine Arme, positioniert sie in Segenshaltung und – ausgesprochen wird mit einem freundlichen „Augen“blinzeln des Roboters der gewünschte Segen. Ein ernstzunehmender Ansatz, über den es sich zu diskutieren lohnt oder nur eine witzige Idee für Großveranstaltungen?

Für mich gilt Letzteres – zu einem Segen gehört für mich ein menschliches Gegenüber, auch möchte ich den Segen lieber in Gemeinschaft erteilt bekommen. Aber man kann hier durchaus anderer Meinung sein und das ist ja das Ziel der Installation: zum Nachdenken über Chancen, Möglichkeiten, Gefahren und Probleme der ständig zunehmenden Digitalisierung anzuregen. Der Stand der EKHN war gut besucht, und, welch ein Zufall, es war gerade auch eine Konfirmandengruppe aus Alsbach zu Gast! Mein Weg führte mich anschließend an den Ort, wo alles begann, die Wittenberger Schlosskirche mit ihrer berühmten Thesentür und der Inschrift „Eine feste Burg ist unser Gott“ am unteren Bogen des Kirchturms. Es war bereits später Nachmittag geworden und ich setzte meinen Rundgang durch die schöne Wittenberger Altstadt fort bis zum Marktplatz mit den bekannten Denkmälern Martin Luthers und Philipp Melanchthons. Hier sollte gleich die Abendandacht stattfinden, heute mit dem Hildesheimer Pfarrer, Liedermacher und Komponisten neuer christlicher Lieder, Fritz Baltruweit. Mehrere seiner Lieder wie „Gott gab uns Atem, damit wir leben“, „Freunde, dass der Mandelzweig“ oder „Wo ein Mensch Vertrauen gibt“, haben längst Eingang in das Evangelische Gesangbuch gefunden. Die zweite Überraschung des Tages: die Liturgin der Andacht war keine geringere als Margot Käßmann. Erfüllt von den Liedern, Gebeten, dem Chorgesang und einem „echten“ Segen konnte ich nun durch den letzten Torraum zum Thema Spiritualität wandeln und, noch einige Impulse aus den bunten Bauzaunplakaten mit ihren lustigen, aber doch nachdenklich stimmenden Sprüchen wie z. B. „Wenn einer ständig schwarzmalt, sollten wir ihm nicht Buntstifte schenken“? mitnehmend, langsam den Rückweg zum Bahnhof antreten. Ein eindrucksvoller und erlebnisreicher schöner Tag neigte sich dem Ende zu.

Martina Graf