Gottesdienst zur Verabschiedung von Pfarrerin Eva-Maria Loggen

Gottesdienste zum Abschied am letzten Sonntag nach Epiphanias, 31. Januar 2021 in der Laurentiuskirche Seeheim
mit Pfarrerin Eva-Maria Loggen

Gnade sei mit euch und Friede, von dem, der da ist und der da war und der da kommt!

Liebe Gottesdienstgemeinde,
der Regenbogen ist eines der schönsten Symbole für Gottes Dasein, für die Zusage seiner zuverlässigen Nähe durch alle Zeiten hindurch. Gott ist da für uns – dass wir davon etwas spüren in diesem Gottesdienst, das ist mein größter Wunsch.
Der Regenbogen auf dem Bild erscheint als ein doppelter, wir sehen vom ersten die Spiegelung in einem zweiten. Auch unsere Predigt soll so sein, sie hat zwei Teile.
Etwas anders als gewohnt legen wir heute keinen bestimmten Predigttext zugrunde, den wir auslegen. Den ersten Bogen der Predigt übernimmt Ilka von Plate. Sie trägt uns nun ihre Gedanken vor:

Teil II
„Ich bin! Ich bin, der ich bin, der ich sein werde!“ sagt Gott zu Mose aus dem brennenden Dornbusch und erscheint in einem Feuer, das wärmt und hell macht, aber nicht zerstört.
(Ex 3)
„Ich bin da und ich bin so!“ zeigt Gott dem Elia, der Gott gern mit eigenen Augen gesehen hätte, aber Gott gibt sich dem Elia stattdessen in einem sanften, stillen Säuseln zu erkennen. (1. Kön 19) Gott ist da, lässt Jesus die angsterfüllten Jünger erkennen, die mit ihm im Boot auf dem See Genezareth vom Sturm bedroht werden und um ihr Leben fürchten. Er beruhigt Wind und Wellen.
Ich bin da!, sagt der Auferstandene zu Maria, die mit tränenüberströmtem Gesicht im Garten steht und ihren Jesus sucht. Das ist Gottes Name! Ich bin da!
J H W H – die hebräischen Buchstaben stehen für das Geheimnis von Gottes Namen, dem Unaussprechlichen. Wir können sie nur annähernd übersetzen in unsere Sprache , aber sie haben mit dem Wort „sein“ zu tun, und sie sind möglicherweise verwandt mit der arabischen Wurzel von „leidenschaftlich sein“. Der leidenschaftliche Gott!
Gott ist leidenschaftlich für seine Menschen, für uns.
In der Musik, dieser Gnadengabe Gottes, erlebe ich diese Leidenschaft. Auch in der Arbeit einer Kirchengemeinde ist sie da, die Leidenschaft Gottes, und manchmal leider auch mit etwas Leiden verbunden.
In allem: „Ich bin da, dies ist mein Name auf ewig!“ spricht Gott zu Mose aus dem Dornbusch heraus. Verhüllt und im Feuer verborgen, und doch sichtbar leuchtend – ein Doppeltes.
Sein Name ist, was uns bleibt, in allem Werden und Vergehen. In allem Gehen und Dableiben bleibt der Bogen Gottes über uns ausgespannt. Und er heißt: ich bin da.
In der Meditation und in der Stille suchen Menschen danach, sie gehen an den Brunnen, um Wasser zu schöpfen, denn sie sind durstig nach Leben, nach unbeschwertem Leben, dem heilen Leben, dem gesunden Leben. Und ich bin es auch!
Nun, du hast einen Krug und willst mit ihm Wasser schöpfen. Du gehst zum Brunnen, kannst aber kein Wasser schöpfen. Warum? Weil der Krug schon voll ist, mit Scherben und Staub. Wenn der Krug voll ist von Neid und Ärger, Eifersucht usw… von mir eben, dann passt nichts mehr hinein. Das Leerwerden geht uns oft recht schwer, denn alles andere hat Vorrang vor der Stille. Die Termine und die Pflichten und die vielen Geschäfte des Lebens. Die online- Konferenzen und all der Kram, wovon einem die Ohren schwirren.
Manchmal muss unser Krug erst brechen, damit die Scherben das Wasser auffangen können.
In dem Film: Wie im Himmel“ singt Gabriella ihr Lied: „Ich will leben!“ heißt der Text des Liedes. – Frau Eisenberg wird die Musik nachher für uns auf dem Cello spielen. Gabriella ist eine vom Leben verletzte Frau, und sie hat das Glück, in einem Kirchenchor mitzusingen und mit ihrer schönen Stimme Teil einer Gemeinschaft zu sein. Der Chorleiter komponiert für jedes Mitglied ein Lied, auch für Gabriella. Er findet die richtigen Töne für sie. Begabt mit Einfühlsamkeit und Verständnis rettet er mit diesem Lied Gabriella das Leben. Als sie ihr Lied öffentlich zu singen wagt, schafft sie den Durchbruch, sie erfährt Heilung und Befreiung, weil sie die Melodie ihres Lebens singen kann, und ihr damit ihre Würde zurückgegeben wird und ihre Freiheit.
So, auf diese Weise begegnet uns Jesus- mit Einfühlsamkeit und mit Verständnis. Er sieht auf das, was wir nötig haben. Darum halten wir ihm unsere Herzen hin, mit unserem Schmerz, unserer Enttäuschung, unserem Unvermögen in manchen Dingen, mit unsrer Verletzbarkeit, mit unseren Schwächen, aber auch mit unseren Stärken.
Mit seinem liebenden Blick dürfen wir auf unser Leben schauen, mit allen Wegstrecken, die dazu gehören. Er kann die heilende Quelle, die in uns ist, wieder zum Strömen bringen. Er ist in uns als die heilende Kraft, die uns von Gott in unser Herz gegeben ist.

Ich bin da.
Diese Botschaft wird mir ganz persönlich zugesagt und in unsere je eigene persönliche Situation hineingesprochen.
Oft ist Gottes Nahesein schwer greifbar, weil Gott sich verbirgt – in einem Dornbusch oder in einem kleinen Windhauch… und weil Gott sich auch verstecken kann, wie der Dichter Kurt Marti in einem Gedicht sagt, nämlich in uns! Wir sind seine Verstecke! *
Darum schauen wir auf Jesus und erkennen durch ihn, wer und wie Gott ist: Ein Gott für uns. Leidenschaftlich. In ihm zeigt sich Gott, als der, der uns liebt und annimmt als seine geliebte Tochter, als seinen geliebten Sohn.
Gott gebe mir und dir Zukunft und Hoffnung, Freiheit und Freude an der Entfaltung unserer Möglichkeiten, miteinander und füreinander. Alles Ding währt seine Zeit!
Gottes Lieb in Ewigkeit.
Amen

Gedicht von Kurt Marti, dessen 100.ten Geburtstags wir heute gedenken:
Großer Gott:
uns näher
als Haut
oder Halsschlagader kleiner
als Herzmuskel Zwerchfell oft: zu nahe
zu klein – wozu
dich suchen? Wir:
deine Verstecke.

Aus: Kurt Marti,
Für eine Welt ohne Angst, S. 55 Lutherisches Verlagshaus Hamburg 1981