Adieu!

Joachim Schließer

Joachim Schließer

In der zweiten Hälfte des April stand es in voller Blüte: ein kleines Apfelbäumchen auf dem Rasenstück vor dem Haus, in dem wir seit zwölf Jahren wohnen. „Wachsen wie ein Baum“ – so lautete vor einigen Jahren das Thema, zu dem eine Konfirmandengruppe den Gottesdienst gestaltete, mit dem die Jugendlichen sich für die Konfirmation vorstellten. Eltern spendeten dazu ein Apfelbäumchen. Das steht seither am Kätchen-Kling-Weg. In einem Jahr hat es reichlich Frucht getragen und hing im Herbst voller roter Äpfel. In anderen Jahren wuchsen und reiften einzelne, mal mehr, mal weniger Früchte daran. Es gab auch mal ein Jahr, in dem es grüne Blätter trug, aber keine Äpfel. Wie viel Frucht werden die Blüten in diesem Jahr ansetzen? Welche werden zwischendrin abfallen, nutzlos und wertlos sein? Wie viele werden reifen und im Herbst geerntet werden können?

Wenn die Äpfel reifen im Herbst, dann werde ich nicht mehr im Pfarrhaus am Kätchen-Kling-Weg wohnen. Meine Zeit als Pfarrer in Seeheim, meine Zeit im aktiven Pfarrdienst geht im Sommer zu Ende. Nach 25 Jahren in Seeheim werden wir beide, meine Frau und ich, in Ruhestand gehen und wegziehen.

Ich bin dankbar, dass ich meine Arbeit als Pfarrer so viele Jahre in Seeheim – und seit 2014 auch in Malchen – tun konnte und tun durfte. Es ist ja ein „Luxus“, den die Kirche sich leistet, den Sie als Mitglieder der Kirche sich leisten, dass Pfarrer und Pfarrerinnen für diesen Dienst von anderer lebensnotwendiger Arbeit freigestellt und dafür entlohnt werden: für die verantwortliche Gestaltung von Gottesdiensten und die Weitergabe des Evangeliums, für Religionsunterricht und Konfirmationsunterricht, für die Begleitung von Menschen in Freude und Leid. Viele und vielfältige Begegnungen mit Menschen hatte ich in meinem Dienst, mit Menschen in ganz unterschiedlichen Situationen und mit ganz unterschiedlichen Bedürfnissen und Erwartungen. Für diese vielen Begegnungen mit Kindern im Kindergarten oder im Kindergottesdienst oder in der Schule, mit Konfirmandinnen und Konfirmanden, mit Jugendlichen und jungen Erwachsenen, mit Eltern, mit Menschen verschiedener Generationen von jung bis alt – für diese vielen Begegnungen bin ich dankbar, für das gegenseitige Wahrnehmen, für das Gespräch, für die Herausforderung, die damit auch gegeben ist. Um Nachsicht bitte ich alle, denen ich in der Begegnung nicht gerecht geworden bin, die vergeblich auf mich gewartet haben, die von mir enttäuscht wurden.

Viele Blüten sind aufgeblüht am Apfelbäumchen. Nicht alle werden zur Frucht. Dass Äpfel am Baum überhaupt wachsen und reifen können, dafür ist der Baum auf manches angewiesen, was nicht in seiner eigenen Macht steht: dass Bienen von Blüte zu Blüte fliegen; dass es Wind und Sonne und Regen gibt in einem lebensfreundlichen Maß. Selbst beitragen muss der Baum natürlich auch etwas, indem er über die Wurzeln Wasser und Nährstoffe aufnimmt und, was wachsen will, versorgt. Wenn alles passt, wenn über dem allem Segen liegt, dann wird aus manchen Blüten Frucht. Es ist schön anzusehen, wenn im Herbst Äpfel am Baum hängen. Es ist nicht nur schön anzusehen, sondern auch gut und nützlich für die, die die Äpfel ernten und essen können.

Fast 25 Jahre bin ich Pfarrer in Seeheim, fast eineinhalb Jahre auch in Malchen. „Hier blüht`s“ ist der Wahl- und Werbespruch der Gemeinde Seeheim-Jugenheim. Auch in unserer Kirchengemeinde blüht es. Und aus mancher Blüte wächst Frucht – Nahrung für Leib und Seele. Das Apfelbäumchen am Kätchen-Kling-Weg wird weiterwachsen, hoffentlich noch manches Jahr Blüten treiben und Früchte tragen.

Das Leben steht in Blüte – das möge für Sie und Euch in Malchen und Seeheim so sein und bleiben. Ich gehe davon aus, dass es auch dort so sein wird, wohin mein Weg mich führen wird. So sage ich Danke für die Zeit in Seeheim und Adieu mit einem Gedicht von Klaus-Peter Hertzsch:

Das Leben steht in Blüte.
Vielstimmig klingt sein Ruf.
Wir bitten Gottes Güte,
dass er die Welt behüte,
die er für uns erschuf.

Die Kinder und die Alten,
der Jahre Gang und Flucht –
in allem Gottes Walten,
mächtiges Umgestalten:
die Blüten werden Frucht.

Die Menschentage enden,
die Treue Gottes nicht.
Wir stehn mit leeren Händen.
Doch wenn den Blick wir wenden,
stehn wir im Blütenlicht,
im ewigen Blütenlicht.

 

Ihr / Euer
Pfarrer Joachim Schließer